Sachverhalt
Die Mieterin eines Parkplatzes musste feststellen, dass sich auf ihrem Parkplatz ein widerrechtlich abgestelltes Fahrzeug befand. Der guten Ordnung halber ist festzuhalten, dass der Parkplatz mit einer Tafel versehen war. Die Tafel stellte klar, dass es sich um einen Privatgrund handelte und widerrechtlich abgestellte Fahrzeuge kostenpflichtig abgeschleppt werden.
Zulassungsbesitzer des widerrechtlich abgestellten Fahrzeugs war die Beklagte.
Ein Bekannter der Mieterin brachte in weiterer Folge einen Zettel auf dem Fahrzeug der Beklagten an. Der Zettel enthielt den Hinweis, dass hier ein Parkverbot besteht. Weiters fanden sich am Zettel die Telefonnummern der Mieterin und ihres Bekannten mit dem Ersuchen, diese anzurufen. Die Beklagte meldete sich jedoch nicht. Aus diesem Grunde kontaktierte der Bekannte der Mieterin die Polizei. Die Polizei erklärte jedoch, dass es sich um ein privatrechtliches Thema handelt und somit das Einschreiten der Polizei nicht möglich ist.
Daraufhin meldete die Mieterin der Klägerin (Abschleppdienst) das widerrechtlich abgestellte Fahrzeug. Die Klägerin empfahl der Mieterin, sich im Nahbereich des widerrechtlich abgestellte Fahrzeugs umzuhören, ob jemand den Lenker kennt.
So erkundigte sich der Bekannte der Mieterin ebenso beim Hausmeister und gleichsam bei anderen Personen. Niemand konnte jedoch den Fahrzeuglenker benennen.
Folglich beauftragte die Mieterin die Klägerin das Fahrzeug abzuschleppen. Die Mieterin des Parkplatzes trat ihre Ansprüche gegen den Lenker des abgeschleppten Fahrzeugs mit Zessionsvereinbarung (zahlungshalber) an die Klägerin ab.
Die Klägerin begehrt sodann von der Beklagten die Zahlung der ihr zum Inkasso abgetretenen Schadenersatzansprüche der Mieterin des Parkplatzes.
Die Beklagte wandte dagegen ein, dass die Mieterin nicht berechtigt gewesen sei, das Fahrzeug vom Privatparkplatz entfernen zu lassen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, da Selbsthilfe zum Schutz des Besitzes nur in Ausnahmefällen zulässig ist. Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts.
Rechtliche Beurteilung durch den OGH
Der Oberste Gerichtshof (OGH) hielt fest, dass im Sinne des § 19 Satz 1 ABGB zur Durchsetzung von Rechten grundsätzlich behördliche Hilfe in Anspruch genommen werden muss. Selbsthilfe ist lediglich in engen Grenzen und bloß subsidiär zulässig. Ein Akt der Selbsthilfe ist ausschließlich rechtmäßig, wenn die Hilfe der Behörden zu spät kommen würde. Also wenn der vorgesehene Rechtsweg zur Durchsetzung nicht geeignet ist.
Für die Selbsthilfe muss das gelindeste zielführende Mittel der Rechtsdurchsetzung gewählt werden. Der OGH hat bereits judiziert, dass keine berechtigte Selbsthilfe im Sinn der §§ 19, 344 ABGB vorliegt, wenn vor Entfernung des Fahrzeuges keine zumutbaren Erkundigungen nach der Person des Lenkers eingeholt wurden.
Das bloße Hinterlassen eines Zettels, sowie die Nachfrage beim Hausmeister und anderen Personen, ob diesen bekannt ist, wem das Fahrzeug gehöre, stellen keine ausreichenden zumutbaren Erkundigungen dar. Vielmehr wäre eine Halteranfrage eine zumutbare Erkundigung gewesen.
Aus diesem Grunde bestätigte der OGH das Urteil des Berufungsgerichts.
Die Bedeutung dieser Entscheidung für die Praxis
In der Regel gilt das Abschleppen eines Fahrzeugs, das unrechtmäßig auf einem privaten Parkplatz steht, nicht als zulässige Form der Selbsthilfe. Stattdessen sollte der Betroffene den Rechtsweg einschlagen, beispielsweise durch die Einleitung eines Besitzstörungsverfahrens / Besitzstörungsklage.
Zulässig wäre jedoch die Beseitigung beispielsweise, wenn das widerrechtlich abgestellte Fahrzeug eine Zu- und/oder Ausfahrt für Einsatzfahrzeuge verstellt.
Auch wenn es sich beim Besitzstörungsverfahren um ein einfaches Verfahren handelt, das rasch Abhilfe schaffen soll, gibt es jedoch einen wichtigen Punkt zu beachten: die 30-tägige Präklusivfrist. Dies bedeutet, dass im Falle einer Besitzstörung schnelles Handeln gefragt ist.
Fazit
Die dargestellte Entscheidung ist ein prägnantes Beispiel dafür, welche ungewollten Wirkungen voreilige Handlungen nach sich ziehen können. Die Ergreifung von Selbsthilfemaßnahmen sollte nie unüberlegt getätigt werden, widrigenfalls man selbst mit Kostenfolgen (etc) konfrontiert wird.
Für Fragen und anwaltliche Vertretung zum Thema der Besitzstörung bzw den Folgen einer Besitzstörung/Besitzstörungsklage stehen wir Ihnen sehr gerne zur Verfügung.