Sachverhalt
Der Kläger und sein langjähriger bester Freund waren Teilnehmer einer Mopedausfahrt. In Folge eines technischen Defekts mussten mehrere Teilnehmer der Mopedausfahrt ihre Fahrzeuge neben der Bundesstraße (außerhalb der Fahrbahn) abstellen.
Der Beklagte geriert mit seinem Kfz von der Fahrbahn ab und raste ungebremst in die Gruppe der Mopedfahrer. Zwei Personen (darunter der beste Freund des Klägers) kamen bei diesem Unfall ums Leben.
Der Kläger beobachtete den Unfall aus ca. 50 Meter Entfernung und versuchte sogleich erste Hilfe zu leisten. Dies jedoch vergebens. Sein bester Freund verstarb noch an der Unfallstelle.
Als Reaktion auf das erlebte Ereignis entwickelte sich der Schockzustand des Klägers in eine akute Belastungsreaktion und sodann in eine schwerwiegende posttraumatische Belastungsstörung.
Rechtliche Beurteilung durch den OGH
Trotz einer nachweislich engen Beziehung des Klägers zu seinem besten Freund, verweigerte der OGH die Anerkennung als „naher Angehöriger“. Dem Kläger gebührt daher nicht bereits wegen der Angehörigeneigenschaft der Ersatz des Schockschadens.
Jedoch sprach der OGH den Ersatz des erlittenen Schockschaden mit Krankheitswert zu, zumal der Kläger qualifiziert und unmittelbar am Unfall beteiligt war.
Der OGH formulierte folgenden Rechtssatz: Die Zuerkennung eines Schockschadenersatzes an Dritte, die nicht als nahe Angehörige anzusehen sind, bedarf eines der rechtlichen Sonderbeziehung gleichwertigen Zurechnungsgrunds. Ein solcher muss nicht zwingend in der ganz unmittelbaren Involviertheit in das Unfallgeschehen (etwa als Unfallgegner oder Beifahrer) oder in der Gefährdung der eigenen körperlichen Sicherheit des Schockgeschädigten durch den Schädiger liegen. Erforderlich ist aber jedenfalls, dass der Dritte bei gebotener wertungsmäßiger Gesamtbetrachtung der Erstschädigung objektiv in gravierender Weise direkt ausgesetzt war („qualifizierte Unfallbeteiligung“).
Die Bedeutung dieser Entscheidung für die Praxis
Bis dato erachtete die bisherige Rechtsprechung Schockschäden bei fehlender Angehörigeneigenschaft nur in Fällen als ersatzfähig, in denen der Geschockte unmittelbar in das Unfallgeschehen involviert war.
Eine „qualifizierte Unfallbeteiligung“ wird nun als ausreichend betrachtet, um den erlittenen Schockschaden mit Krankheitswert zu ersetzen.
Fazit
Beim Schockschaden handelt es sich um eine Körperverletzung in Form einer psychischen Beeinträchtigung mit Krankheitswert. Der OGH dehnt den Ersatz von Schockschäden nunmehr auch auf Fälle der „qualifizierte Unfallbeteiligung“ aus.
Dieses Urteil wirft nicht nur ein neues Licht auf die bisherigen Maßstäbe, sondern zeigt auch, dass die Rechtsprechung flexibler wird, um gerechte Entscheidungen in komplexen Fällen zu ermöglichen.
Für Fragen und juristische Beratung zum Thema der Schockschäden, respektive den Folgen eines solchen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.