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Die Leitungswasserversicherung: Neues von der 72-Stunden-Klausel

Die 72-Stunden-Klausel bestimmt, dass alle Wasserzuleitungen abzusperren sind, wenn das Gebäude länger als drei Tage nicht bewohnt und nicht genutzt oder nicht beaufsichtigt wird. Der OGH klärte nunmehr, welche Qualität die "Nutzung" und "Beaufsichtigung" aufweisen muss.

7 Ob 74/24v

Sachverhalt

Die Klägerin war Eigentümerin eines Wochenendhauses.

Zwischen der Klägerin und der beklagten Versicherung bestand ein aufrechter Eigenheimversicherungsvertrag für das Wochenendhaus, dem die Allgemeinen Bedingungen für Versicherungen gegen Leitungswasserschäden (AWB) sowie die Allgemeinen Bedingungen für die Sachversicherung (ABS) zugrunde lagen.

 

Die AWB lauten auszugsweise:

Art. 1

Versicherte Gefahren und Schäden

(1) Der Versicherer bietet Versicherungsschutz gegen Schäden, die an den versicherten Sachen dadurch entstehen, dass Wasser aus Zu- oder Ableitungsrohren oder angeschlossenen Einrichtungen von Wasserleitungs-, Warmwasserversorgungs- oder Zentralheizungsanlagen sowie aus Etagenheizungen austritt.

[…]

Sicherheitsvorschriften

[…]

(2) Der Versicherungsnehmer übernimmt ferner die Verpflichtung, in nicht benutzten und nicht beaufsichtigten Baulichkeiten die Wasserleitungsanlagen und sonstige wasserführende Anlagen abzusperren. Während der möglichen Heizperiode sind zusätzlich sämtliche wasserführenden Leitungen und Anlagen zu entleeren, sofern die Heizung nicht durchgehend in Betrieb gehalten wird. Das gleiche gilt für vorübergehend außer Betrieb gesetzte Anlagen. Für Ein- und Zweifamilienhäuser sowie Wochenendhäuser gilt die vorstehende Regelung nur, wenn sie länger als 72 Stunden unbewohnt sind.

[…]“

Die ABS lauten auszugsweise:

„Artikel 3

Sicherheitsvorschriften

(1) Verletzt der Versicherungsnehmer gesetzliche, behördliche oder vereinbarte Sicherheitsvorschriften oder duldet er ihre Verletzung, kann der Versicherer innerhalb eines Monats, nachdem er von der Verletzung Kenntnis erlangt hat, die Versicherung mit einmonatiger Frist kündigen. Das Kündigungsrecht erlischt, wenn der Zustand wiederhergestellt ist, der vor der Verletzung bestanden hat.

(2) Der Versicherer ist von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Schadenfall nach der Verletzung eintritt und die Verletzung auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers beruht. Die Verpflichtung zur Leistung bleibt bestehen, wenn die Verletzung keinen Einfluss auf den Eintritt des Schadenfalles oder soweit sie keinen Einfluss auf den Umfang der Entschädigung gehabt hat oder wenn zur Zeit des Schadenfalles trotz Ablaufs der Frist die Kündigung nicht erfolgt war.

(3) Ist mit der Verletzung einer Sicherheitsvorschrift eine Erhöhung der Gefahr verbunden, finden die Bestimmungen über die Erhöhung der Gefahr Anwendung.

Die Klägerin öffnete im März 2022 die Hauswasserzuleitung im versicherten Wochenendhaus.Sie war sodann bis 20. Mai 2022 nicht mehr im Wochenendhaus. Am 22. Mai stellte die Klägerin einen Schaden in Folge von ausgetretenem Leitungswasser fest.

Demgegenüber fährt der Gatte der Klägerin regelmäßig zum Wochenendhaus um Gartenarbeit zu verrichten und um nachzusehen, „ob alles passt“.

Die Klägerin begehrte die Sanierungskosten für den aufgetretenen Leitungswasserschaden.

Die beklagte Versicherung wandte ein, dass eine grob schuldhafte Verletzung der Sicherheitsvorschrift (Art 6.2 AWB) vorliegt, da die Klägerin das Wochenendhaus ohne Absperren der Wasserzuleitung länger als 72 Stunden unbewohnt gelassen habe.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Es hielt fest, dass die Klägerin diese Obliegenheit (72-Stunden-Klausel) grob fahrlässig verletzte. Dennoch ist die beklagte Versicherung nicht leistungsfrei, weil die in Rede stehende Klausel intransparent war. In Art 6.3 AWB werde nämlich nicht darauf hingewiesen, dass die Verletzung dieser Vorschrift nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zur Leistungsfreiheit des Versicherers führe. Vielmehr beschränke sich Art 6.3 AWB auf einen Verweis auf Art 3 ABS.

Das Berufungsgericht bestätigte das erstinstanzliche Urteil.

Rechtliche Beurteilung durch den OGH

Der Oberste Gerichtshof (OGH) hielt fest, dass es dem Transparenzgebot widerspricht, wenn der Verbraucher gezwungen ist, sich die notwendigen Informationen erst „zusammenzusuchen“. Im gegenständlichen Fall erachtete der OGH die Klausel als nicht intransparent im Sinne des § 6 Abs 3 KSchG.

Ungeachtet dessen führt der OGH weiter aus, dass die Klausel lediglich bei „nicht benutzte und nicht beaufsichtigte Baulichkeiten“ Anwendung findet. Der OGH gelangte zum Ergebnis, dass eine Nutzung vorlag, zumal der Ehegatte der Klägerin das Haus während seiner Aufenthalte dort tatsächlich benutzte und sich auch über mehrere Stunden dort aufhielt.

Die beklagte Versicherung hatte somit den Schaden zu leisten.

Die Bedeutung dieser Entscheidung für die Praxis

Die gegenständliche Entscheidung verdeutlicht, dass an die Qualität der Beaufsichtigung keine höhere Anforderung gestellt werden darf, als an die Kontrolltätigkeit, die mit dem üblichen Benützen verbunden ist.

Für Fragen und anwaltliche Vertretung zum Thema der Leitungswasserversicherung, bzw den Folgen eines Wasserschadens stehe ich Ihnen sehr gerne zur Verfügung.

Fazit

Die angeführte Entscheidung ist ein prägendes Beispiel für die Komplexität der Leitungswasserversicherung.

Im Falle es eines Schadens und der Frage der Leistungspflicht, sind insbesondere der Entschuldigungsbeweis und der Kausalitätsgegenbeweis zu beachten.

Für Fragen und anwaltliche Vertretung zum Thema der Leitungswasserversicherung, bzw den Folgen eines Wasserschadens stehe ich Ihnen sehr gerne zur Verfügung.

Dr. Stefan Heninger – Rechtsanwalt in 1010 Wien